Nachdem Falbala146 mich im Thread zum Frankfurt-Konzert im Mai 2012 nach Mortens Stimmumfang gefragt hat, habe ich dazu mal einiges zusammengestellt.
Vorausschicken möchte ich den Infos, dass ich den reinen Stimmumfang nicht für das entscheidende halte. Natürlich ist es vorteilhaft, denn es eröffnet viele Möglichkeiten, aber Musik ist ja kein sportlicher Wettkampf, wo es darum geht, immer noch einen Ton mehr nach oben oder unten 'rauszuquetschen. Wichtig ist vielmehr, die Töne sauber zu treffen und zu halten, insbesondere in den schwierigeren Extremen, eine ästhetische Klangfarbe, Variabilität in der Charakteristik und die Fähigkeit, mit der Stimme Emotionen auszudrücken. Deswegen ist es u.U. sinniger, die Tonart eines Songs zu ändern, damit er insgesamt höher oder tiefer wird.
Die Flexibilität, die Mortens Stimmumfang ihm ermöglicht, ist also ein Bonus, aber für mich sind die entscheidenden Qualitäten andere: Der einfach schöne, dabei aber auch charakteristische Klang und die erstaunliche Variationsbreite in Färbung und Ausdruck - kristallklar oder rau, sanft-schmeichelnd oder hart, schmerzgeladen oder aggressiv bis hin zum Powergesang an der Grenze zum Schreien, der aber eben noch kein Schreien ist, weil es viel zu gut klingt. Persönlich mag ich die warmen, weichen Tiefen und die kraftvolle mittlere Lage am liebsten, auf das hohe Falsett-"Gequietsche" könnte ich dagegen leicht verzichten, da es oft zu angestrengt klingt, um wirklich schön und ausdrucksstark zu sein (bei "When I reached the moon" könnte ich weglaufen ;)).
So, dann erstmal ein paar grundsätzliche Dinge, da ich bei vielen Internetdiskussionen zum Thema Stimmumfang gesehen habe, dass es da jede Menge Missverständnisse gibt.
Achtung, Epos voraus!
Was ist überhaupt eine Oktave?
Eine Oktave bedeutet das Intervall von einem bestimmten Ton zu dem nächsthöheren Ton mit demselben Namen. D.h. also z.B. von einem C zum nächsthöheren C. Dazwischen stecken in den üblichen, "westlich-klassischen" Tonleitern 8 Ganztöne = weiße Klaviertasten (deswegen auch der Name Oktave): C, D, E, F, G, A, H, (C). Alle in diesem Tonsystem üblichen Halbtöne mitgezählt, sind es 12 Töne = weiße + schwarze Klaviertasten: C, Cis/Des, D, Dis/Es, E, F, Fis/Ges, G, Gis/As, A, Ais/B, H (international B), (C).
Diese Oktaven werden von tief nach hoch aneinandergereiht und numeriert, wobei sich die in Hertz gemessene Tonhöhe von Oktave zu Oktave verdoppelt:
Subsubkontra-Oktave von C-1 bis H-1, ca. 8-16 Hertz (diese Oktav ist vom menschlichen Ohr praktisch nicht hörbar)
Subkontra-Oktave von C0 bis H0, ca. 8-32 Hertz (diese Oktav können nur wenige Menschen hören)
Kontra-Oktave von C1 bis H1, ca. 32-65 Hertz
Große Oktave von C2 bis H2, ca. 65-131 Hertz
Kleine Oktave von C3 bis H3, ca. 131-262 Hertz
Eingestrichene Oktave von C4 bis H4, ca. 262-523 Hertz (C4 ist das "zentrale C" auf dem Klavier, das im Violinschlüssel auf einem Extrastrich unterhalb der Notenlinien, im Bassschlüssel auf einem Extrastrich oberhalb der Notenlinien notiert wird)
Zweigestrichene Oktave von C5 bis H5, ca. 523-1.050 Hertz
Dreigestrichene Oktave von C6 bis H6, ca. 1.047-2.100 Hertz
Viergestrichene Oktave von C7 bis H7, ca. 2.100-4.200 Hertz
Fünfgestrichene Oktave von C8 bis H8, ca. 4.200-8.400 Hertz
Sechsgestrichene Oktave von C9 bis H9, ca. 8.400-16.800 Hertz (damit ist man praktisch an der Hörgrenze des menschlichen Ohrs, die bei Kindern bei 20.000 Hertz liegt und mit dem Alter immer weiter sinkt)
Daraus ergibt sich ein für Menschen hörbarer und somit musikalisch sinnvoller Umfang von maximal 9 Oktaven (ca. Kontra-Oktave bis sechsgestrichene Oktave). Einer der bekanntesten hohen Töne, aus der Arie der Königin der Nacht (Zauberflöte), ist das dreigestrichene F oder F6, und das ist schon verflixt hoch.
Der menschliche Stimmumfang
Was den menschlichen Stimmumfang betrifft, kann man zum Teil herumschwirrende Angaben von 8 oder mehr Oktaven getrost in das Reich der Phantasie verweisen - das würde nämlich bedeuten, dass dieser Mensch den gesamten HÖRBAREN Bereich mit seiner Stimme abdeckt. Diese Angaben stammen vermutlich aus Missverständnissen von (englischen) Formulierungen: Wenn es heißt, eine Sängerin erreicht Töne "in the eighth octave / in der achten Oktave", dann heißt das, dass sie Töne zwischen C8 und H8 singen kann. Das bedeutet aber NICHT, dass es die insgesamt achte Oktave ist, die IHRE Stimme bewältigt, weil C1 bis H1 wiederum für eine Frauenstimme unmöglich sind. Sie fängt vielleicht bei C4 an, was dann einen glaubwürdigeren Umfang von fünf Oktaven bedeuten würde.
Die "klassischen" Singstimmen umfassen in der Regel zwei Oktaven:
Frauenstimmen:
Sopran: C4 bis C6
Mezzosopran: A3 bis A5
Alt: F3 bis F5
Männerstimmen:
Tenor: C3 bis C5
Bariton: F2 bis F4
Bass: E2 bis E4
Eine komplett unausgebildete Stimme schafft maximal eine Oktave, ein "Freizeitsänger" kann auf 1,5 bis 2 Oktaven kommen, also insgesamt 24 Ganz- und Halbtöne. Ausgebildete Sänger schaffen 2,5 Oktaven; 3 Oktaven / 36 Töne aufwärts sind Ausnahmetalente. Umfänge über 5 Oktaven sind normalerweise nur "technisch möglich", d.h. schön klingen tut es in den Extremen dann nicht mehr.
Ausnahmetalente
Folgende mehr oder weniger glaubwürdige Angaben für Sänger und Sängerinnen mit besonders großem Stimmumfang habe ich gefunden:
R&B-Sängerin Georgia Brown: größter bekannter Stimmumfang von 8 Oktaven (G2 bis G10), wobei ihre höchsten Töne vom menschlichen Ohr nicht hörbar sind und anderweitig verifiziert werden mussten (ich weiß nicht, ob ich das glauben soll...)
klassische Sängerin Yma Sumac: 4,5 Oktaven belegt, als junge Frau soll sie sogar 6 geschafft haben
Mariah Carey: 5 Oktaven (umstritten, realistisch sind wohl eher um die 4)
Kate Bush: 4 Oktaven
Maria Callas: knapp 3 Oktaven
Ivan Rebroff: 4,5 Oktaven
Opern- und Popsänger Adam Lopez: höchster von einem Mann gesungener Ton Cis8, soll außerdem das tiefe As3 schaffen, was 52 Töne und 4,5 Oktaven bedeuten würde
Klassik/Popsänger Edson Cordeiro: 49 Töne, 4 Oktaven (G2 bis G6)
Bobby McFerrin: 4 Oktaven
Michael Jackson: 44 Töne, gut 3,5 Oktaven (E3 bis H6 – ich kenne zwar bei Weitem nicht alle Jackson-Songs, aber während ich das H6 gerne glaube, würde ich die Tiefen doch SEHR stark anzweifeln...)
Freddy Mercury: 3,5 Oktaven
Mortens Stimmumfang
(Na endlich! ;))
Angesichts dieser Angaben ist der Eintrag in der englischen WikiPedia, dass Mortens Stimme 5 Oktaven umfasst, stark anzuzweifeln. In "Saa blaaser det paa jorden" heißt es, dass er sich in Souldier Blue-Zeiten das Ziel gesetzt hatte, "drei vollständige Oktaven plus Falsett" zu erreichen, was ambitioniert aber realistisch ist. (Falsett bedeutet Hochsetzung um eine weitere Oktave, dann wären es also insgesamt bis zu 4 Oktaven).
Ohne jetzt alle a-ha- und Solosongs im einzelnen auf die Extreme durchgehört zu haben, habe ich einige tiefste und höchste Töne nach bestem Wissen und Gehör bestimmt, die jeweils auf den Silben in Großbuchstaben vorkommen. Wenn ihr der Meinung seid, es gibt noch höhere oder tiefere, schreibt das hier rein, dann probiere ich die auch noch aus.
Die tiefsten Töne
Take on me, erstes "TAKE on me": A3
The Swing of Things "You say that I SHOULD CARE": H3
October, "Dawn awaits A sleepless...": G3
(in meinem SD-Songboog steht für "DOWN in the city at nights..." das noch einen Halbton tiefere Fis3, das kann ich vom Hören / Mitspielen aber nicht bestätigen, es ist "nur" ein A3)
I call your name, "Those pronouncements had such WEIGHT": G3
How sweet it was, "One to the nightfall, one to the stars, ONE to the haunted fools we are": B3 oder C4, "just HOW sweet it was": A3 oder B3 (der ganze Song liegt einen Tick neben der üblichen Kammerstimmung, so dass keiner der Töne exakt passt, es liegt aber näher am jeweils tieferen)
Brodsky Tune, "CHERUBS DREAD TO FLY": Gis3
To let you win, "But I got tired of the wars at NIGHT": E3
Deilig er jorden: "Deilig er jo-O-rden...": H3
Daraus ergibt sich der tiefste Ton mit E3 aus "To let you win", gefolgt von G3 aus "October" und "I call your name".
In einem weiteren Zitat aus "Saa blaaser det paa jorden" ist Morten übrigens ganz aus dem Häuschen, dass er "das tiefe B geschafft, hat, während C oder D normal für ihn sind". "Das tiefe B" ist nun natürlich ein relativer Begriff, und so muss es offen bleiben, ob er das H3 meint, das in späteren Zeiten offenbar lockerer Standard für ihn geworden ist (mit Training und Alterung der Stimme nicht ausgeschlossen), oder ob er H2, C3 und D3 meint, also nochmal deutlich unter dem E3 aus "To let you win".
Die höchsten Töne
Take on me, "In a day or TWO": E6
Dark is the night, "Time to break FREE": C6
Los Angeles, "with the view and THE moon": E6
When I reached the Moon, "My feet on the grou-OUND": D6
Damit ergeben sich die höchsten Töne mit E6 aus "Take on me" und "Los Angeles".
Bemerkenswert an "Take on me" ist im Übrigen, dass Morten im Refrain vom A3 bis zum E6 den Großteil seines hier ermittelten Umfangs abdeckt. Abgesehen davon sind die ur-fiesen, großen, extrem schwer zu treffenden Intervalle (Tonsprünge) auch schon beeindruckend genug...
Somit bewegt Morten sich in den Aufnahmen zwischen E3 und E6 und damit über 37 Töne oder 3 Oktaven.
Ob das nun wirklich sein kompletter Umfang ist oder ob sich irgendwo noch höhere / tiefere Töne verbergen bzw. er höher oder tiefer könnte, das aber bisher nicht in Aufnahmen verewigt wurde (oder ich schlicht und einfach irgendwo Mist gebaut habe, was ich nicht ausschließen will ;)), muss hier offen bleiben. Sollte er in dem Zitat von oben das H2 gemeint haben, würden sich 42 Töne und damit 3,5 Oktaven ergeben.
Die meisten Songs bewegen sich allerdings innerhalb von 1,5-2 Oktaven (daran gemessen, dass ich in der Regel mitsingen kann, wie auch viele andere Fans).
Meike