MORTEN TRIFFT DIE FISCHE
15.04.2002 - Dagbladet (Zeitung, Norwegen)
Die Dagbladet-Journalistin Hege Duckert besucht Morten in seinem Apartment und bekommt sofort mehrere riesige Aquarien gezeigt. Fische sollten das immer wieder auftauchende Thema des Interview werden.
"In Harkets Wohnzimmer ist ein Lärm ähnlich dem auf den hinteren Sitzen eines Flugzeuges", beobachtet sie. "Vielleicht hört er es nicht mehr, nach fünfzehn Jahren in der Musik mit hoher Lautstärke. Die Geräusche werden vom Kühlsystem dreier großer Salzwasseraquarien produziert, in denen Morten seine eigenen Korallen züchtet und eine Fauna hat, die man sonst nur auf den Tellern der nahegelegenen Luxusrestaurants findet – Hummer, Krabben, Schnecken, Muscheln und Fische in allen Regenbogenfarben."
Morten posiert bereitwillig vor den Aquarien für Bilder. Er kümmert sich nicht so sehr um sein eigenes Aussehen, sondern hilft erfreut dabei, die Fische zu "stylen" und diskutiert das Licht und die Reflexionen mit dem Fotografen.
"Ein Aquarium zu unterhalten ist eine große Verantwortung", sagt Morten. "In gewissen Umweltschutzkreisen sind viele skeptisch darüber, wilde Tiere einzufangen und daheim in einem Glaskäfig zu halten. Ich kann das sehr gut verstehen. Aber diese Fische gehören zu einer elitären Gruppe, der es gut geht, weil ich eine gewissenhafte Person bin. Der wichtigste Grund dafür, Aquarien zu haben, ist allerdings, dass sie der Schlüssel zum Überleben der Korallenriffe der Welt sein könnten. "
Morten zeigt dem Journalisten und dem Fotografen die verschiedenen Fische und erklärt ihr Verhalten.
"Schaut euch den an!! Ein Schleimfisch. Das ist ein neugieriger kleiner Kerl. Hat eine Menge Charakter. Wenn er sich wohl fühlt, färbt sich sein Schwanz orange. Und er quetscht sich in alle Löcher, die er finden kann."
"Ah, das ist einer von denen, stimmts?"
"Und schaut euch die Schuppen von diesem Hummer an! Der Hummer hat sie gerade abgeworfen und weiß, dass eine Menge Tiere da draußen sind, die ihn fressen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten. Und der Einsiedlerkrebs da drüben hat gerade eine Schnecke getötet und ihr Haus bezogen."
"Leben und sterben lassen, richtig?"
"Es ist wie draußen auf den Straßen. Ich lerne eine Menge über menschliches Verhalten von dem hier. "
"Von... Fischen?"
"Eifersucht, Mobbing, Krankheit, die Philosophie der Jagdreviere – es ist alles da drin, alles zusammen. Manche sterben plötzlich, es überrascht mich immer wieder: Du bekommst genug Futter, du hast einen schönen Platz, du hast dein Weibchen gerade um die Ecke – was ist dein Problem? Aber sie sterben trotzdem. Ein friedliches Aquarium ist ein Gleichgewicht der Macht."
"Hast du 'Ein Fisch namens Wanda' gesehen?"
"Ja. Ein Horrorfilm für Fische!"
Aber das Interview soll sich eigentlich um die neuen a-ha drehen – das beinhaltet, über die alten a-ha zu reden.
"Es war alles total verdreht", erzählt Morten. "Wir waren so jung und es war so leicht, uns als eine Boyband zu vermarkten. Auf einmal drehte sich alles um die Hosen, die ich trug. Wir waren so naiv. Schau dir U2 an, die in der Lage waren, das Augenmerk darauf zu lenken, wer sie sind. Die Leute glaubten, dass sie direkt von der Straße kämen."
"Während ihr direkt vom Friseur kamt? "
"Nein, ich habe mir meine Haare immer selbst geschnitten, und das hat man gesehen. Wir taumelten einfach da durch. Heute verstehe ich sehr gut, warum viele Künstler mit einer verrückten Anzahl von Stylisten und Assistenten herumreisen. Es ist nicht besonders clever, aber es ist verständlich. Normale Menschen, die in unnormale Situationen geraten, verlieren den Halt an dem, was andere für selbstverständlich halten. Die familiäre Umgebung, dein eigenes Bettzeug, in der Lage zu sein, den Bus zu nehmen, ohne dass die Leute dich anstarren, oder ein Taxi, ohne dass der Fahrer das Bedürfnis hat, ein Gespräch mit dir zu beginnen. Die einzigen Beziehungen, die einer normalen ähneln, sind die, die du mit deinem Friseur oder der Visagistin hast. In diesem Markt bist du kein menschliches Wesen, sondern ein Produkt auf der gleichen Ebene wie Ajax und Volvo."
"Du bist 42 und immer noch ein Popstar. Wirst du auch weiterhin in der Musik leben?"
"Ich denke schon, denn das habe ich immer getan. Aber ich höre mir selbst kaum Musik an. Nie im Auto oder wenn ich daheim bin. Ich hasse diese Hintergrundmusik, weißt du – wenn Musik dazu benutzt wird, die Luft zu füllen, irgendwie. Haben die Leute nicht das Bedürfnis, nachzudenken? "
Duckert konstatiert, dass Morten selbst definitiv dieses Bedürfnis hat. Er denkt eine Menge nach.
"Ich war schon immer eine neugierige Person, ein Typ, der eine Menge Fragen stellt. Es kann besser sein, deine Gedanken schweifen zu lassen, als sie anzuhalten, indem du zu einer Antwort kommst. Antworten sind temporär, sie halten nicht lange."
Die neuen a-ha also. Wird es a-ha gelingen, Ullevaal zu füllen?
"Es wäre gesund für die norwegische Musikszene, wenn Ullevaal voll wird. Als uns der Fußballbund einlud, haben wir zuerst nein gesagt, weil das mit den Notausgängen nicht funktioniert hat. Sie haben damit reagiert, dass sie in Ordnung gebracht haben, was nicht OK war. Die Leute erwarten bestimmte Dinge bei einem a-ha-Konzert, und wir müssen versuchen, diese hinzubekommen – bis zu einem gewissen Grad. "
"Die Vallhall-Konzerte im letzten Jahr liefen wirklich gut."
"Ja. Die Art, wie wir vom Publikum und der Presse aufgenommen wurden, war so offen, annehmend. Ich wartete darauf, dass sich die Kehrseite der Medaille zeigen würde, aber das geschah nicht."
"Wie sieht ein Meer von Menschen aus, von der Bühne gesehen? Da ist ein ziemlicher Abstand zwischen dir und denen in der letzten Reihe."
"Da ist ein ziemlicher Abstand zwischen dir selbst und den anderen Leuten, die mit dir auf der Bühne stehen, das kann ich dir sagen. Ein Windstoß, und schon hörst du sie nicht mehr."
"Was tust du dann?"
"Was ich tun muss. Hinausgehen und spielen."
Das Gespräch schweift etwas ab zu Gesundheitsfragen.
"Trainierst du viel?"
"Nein, fast nie. Ich habe einen Körper, der schnell reagiert – ich reche das Gras und man sieht es. Ich verstehe, dass das für andere irritierend sein kann. Aber für mich, der ich in diesem Körper lebe, ist das wichtigste, dass ich innerlich in guter Form bin."
Morten ist auf der Blutgruppen-Diät und ist überzeugt, dass das sein Energieniveau drastisch erhöht hat. Als Duckert und er zum Essen ausgehen, verlangt er nach Fleisch – "viel Fleisch!" – und Gemüse. Aber keine Kartoffeln oder Brot, nein danke.
"Würdest du nicht lieber Fisch essen? "
Duckert bekommt als Antwort einen Tritt unter dem Tisch.
"Manchmal werde ich müde davon, immer sicherstellen zu müssen, dass ich gesund und in guter Form bleibe. Magne kann sich den Arm brechen und wir spielen weiter Konzerte. Aber wenn ich mich erkälte, gibt es keine andere Wahl, als die Sachen abzusagen. "
In den letzten Jahren hat Morten Schlagzeilen gemacht, indem er in den Graben gefahren ist – mit seinem Motorrad oder mit seinem Auto. Er fährt zu schnell in den Kurven.
"Ich habe meinen Motorradführerschein in der schlimmsten a-ha-Zeit gemacht, als ich ein enormes Bedürfnis hatte, zu entkommen. Kurz bevor ich die Prüfung machte, haben Magne und ich es arrangiert, dass wir in Deutschland ein Motorrad leihen konnten. Ich wollte ein paar Proberunden vor dem Hotel drehen und dachte, dass sobald ich den Helm aufhätte, mich keiner mehr erkennen würde. Aber eine Gruppe von Fans sah mich; ich geriet in Panik, beschleunigte und fuhr davon, um zu entkommen. Ich wurde in eine Einbahnstraße gezwungen – in der falschen Richtung – und verschwand irgendwo in Berlin. Ich konnte nicht fahren. Ich hatte kein Geld und keinen Personalausweis dabei und ich konnte mich nicht erinnern, wo das Hotel war. Die totale Krise. Die Rettung kam in Form eines Typen im Auto hinter mir, der merkte, dass ich Probleme hatte und mir half, aus dem Verkehr zu kommen."
"Was hast du aus diesem Erlebnis gelernt?"
"Naja, auf jeden Fall habe ich gelernt, wie man Motorrad fährt. Nach diesem Zwischenfall wurde ich ein Mann."
Übersetzung: Meike Beier a-ha.com