Ich bin sicher, das ist schon hier gewesen, aber ich habe es nicht mehr gefunden .... so here we go:
Interview aus dem norwegischen Magazin „Treff“ aus September 1995
Interviewer Olav Solvang
Englische Übersetzung von Jakob Seske
Ich will die Sinne aufwecken
Morten Harket hat gerade das Soloalbum „Wild Seed“ veröffentlicht. Ein comeback in die Welt der Pophysterie mit kreischenden jungen Mädchen und muskulösen Idolen auf Postern, fast flehend „Take on me“? Nein!
Harket behauptet er sei fertig mit seinem Leben als Popstar.
Das Leben als Popstar hat mir keinen Kick gegeben. Es war in mehrerer Hinsicht eine abnorme Situation. Ich fand das zusammen mit den anderen von a-ha recht schnell heraus, sagt Morten als wir ihn im Büro der Plattenfirma Warner in Oslo treffen.
Eine neue CD mit einer Menge selbstkomponierter Musik und Texten von Håvard Rem ist fertig. Der a-ha Sänger distanziert sich teilweise vom herkömmlichen Stil, aber das Marketing Brimborium rund um die Veröffentlichung ist fast das gleiche wie vorher. Der Mann (Morten ist jetzt 35) hat immerhin rund 20 Millionen Alben verkauft und spielte vor einer unglaublichen Menge von 200.000 Leuten in einem Konzert (Rio 1991) mit Norwegens beliebtesten Popband überhaupt. Das riecht nach neuem Erfolg.
Ich nehme mich selbst nicht mehr allzu ernst und ich habe eine sehr entspannte Einstellung gegenüber dieses (Musik) Geschäft entwickelt. Als ich in Rio auf der Bühne stand und diesen Ozean von Menschen sah, die nach mir schrieen – einige von ihnen hatten 12 Stunden auf den Einlass gewartet – fühlte ich nur Traurigkeit. Es hätte die „Party“ meines Lebens sein müssen, aber ich hatte keinerlei gute Gefühle, ich fühlte mich wie ein Gast. Ich wusste, etwas war falsch in meinem Leben; dass meine Gefühle nicht so ausgedrückt wurden, wie sie sollten. Deshalb habe ich nicht das Bedürfnis nach neuem Erfolg zu streben. Ich war dort und ich sehne mich nicht danach zurück.
Aber vielleicht gibt dir das neue Album keine andere Wahl?
Oh, aber das tut es! Ich habe gelernt, wie das Pop-Geschäft funktioniert und ich kann meine eigenen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Außerdem ist diese neue Platte sehr viel mehr als eine Album-Veröffentlichung; sie ist das Ergebnis der Änderungen in meinem Leben.
„Wild Seed“ ist eine Zusammenarbeit zwischen Morten Harket und dem Schriftsteller Håvard Rem. Während Morten das meiste der Musik komponiert hat, schrieb Håvard die Texte. Aber in enger Zusammenarbeit mit Morten.
Håvard und ich verstanden uns sehr schnell sehr gut. Er ist eine „hörende“ Seele. Er ist ein alter Konformist, ich gehöre der Staatskirche an, mit einer offenen Tür zur Kapelle. (Norw. Bedehus)
Letzteres wird wohl in dem song „Lord“ deutlich?
Ja. Das ist eine stolze aber auch eine ein wenig gemäßigte Konfession. Ich weiß, dass Gott für mich da ist, aber ich weiß auch, dass es mir absolut okay geht in meinem Leben. Trotzdem – und das ist wichtig – singe ich „Ich weiß, dass ich Dich irgendwann brauchen werde“.
Nicht gerade eine besonders große und klare Proklamation?
Nein, ich bin gegen Proklamationen. Was solide und sicher ist kann in schwachen Momenten richtig sein. Aber die Welt – und wir, die wir in ihr leben – sind in kontinuierlicher Bewegung. Deswegen ist es möglicherweise das präziseste und adäquateste in Gleichnissen zu sprechen, wie es Jesus tat. Ich würde zu gerne die geistige Seite mit klarem Verstand erkunden, aber ich möchte dabei nicht zu detailliert vorgehen, wenn ich diese Erfahrung mache.
Du hast, soweit ich weiß, selten oder nie auf der Bühne über deinen christlichen Glauben gesprochen. Einige Leute werden wahrscheinlich geltend machen, dass du zum Beispiel eine unglaubliche Möglichkeit zum predigen hattest – zu diesen 200.000 Leuten in Rio?
Nein, das wäre komplett falsch gewesen. Ich bin skeptisch gegenüber Evangelisten oder anderen, die zu großen Gruppen von Menschen predigen. Was vielleicht als etwas Ehrliches beginnt entwickelt sich oft zu einer Gier nach Macht, wenn sie sehen, wie einfach Menschen zu beeinflussen sind. Ich bin auch gegen dieses ganze Geld-Gerede, das oft folgt.
Haben nicht Popstars wie du genau so viel Macht über ihre Zuhörer wie ein Prediger?
Ja, wenn du deine eigene Position ausnutzt, sonst nicht. Du hast eine Verantwortlichkeit für das was du sagst und tust. Aber der größte Teil des Publikums handhabt sein Verhältnis zum Popstar gut. Es schadet niemandem, ein Bild eines Popstars an der Wand hängen zu haben, zum Beispiel. Ich selber habe an vielen solcher Wände gehangen und ich habe deswegen kein schlechtes Gewissen. Es ist natürlich schlecht, wenn sich Leute mit Künstlern identifizieren, die „black metal“ oder Nazirock spielen.
Hast du irgendwelche guten Ratschläge für Eltern, deren Kinder solche Neigungen haben?
Sie müssen sich darüber informieren, müssen es ans Licht bringen und einfühlsam mit ihren Kindern darüber reden. Sie fragen, was es ist, das sie daran mögen. Überhaupt nicht schreien und nörgeln oder – noch schlimmer – darüber predigen. Wenigstens das nicht.
Hat dich deine Rolle als Familienvater als Person verändert?
Ja, sicher. Du landest in einer total anderen Situation wie wenn du ein Single wärst. Ich hatte immer das Bedürfnis nach Ordnung in meinem Leben, aber das ist auch genau das, was mich kürzlich dazu geführt hat ein steigendes Bedürfnis nach Chaos zu spüren. Das zwingt mich zu Konfrontationen und ich wachse daran.
Wenn wir schon über den „Familienvater“ sprechen, dann würde ich ebenso gerne unterstreichen, dass meine Beziehung zu Camilla, meiner Frau, total verschieden ist als die Beziehung zu meinen Kindern. Die Frau, die hier meine Frau ist, ist wie ein Abgrund über den du keine Kontrolle hast – ein Fremder in der Nacht sozusagen. Vater zu sein ist absolut anders.
Was erhoffst du dir, wird „Wild Seed“ für die Zuhörer sein?
Ich wünsche mir, dass das Album meine und anderer Leute Sinnes-Welten aufweckt, uns die Instinkte zurück gibt. Viele von uns sind eingeschlafen und das ist sehr gefährlich.
Eli Wiesel sagte es so: „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass – da sie Bruder und Schwester sind – nein, es ist Gleichgültigkeit.“
Du hast dich selber in verschiedene Umweltbelange eingebracht in den letzten Jahren...
Ich habe es versucht. Und das meiste davon wurde nicht sichtbar in den Medien, Gott sei Dank. Wenn ein Wohltätigkeitsprojekt platzt ist es oft deswegen der Fall, weil die Medien einen riesigen Rummel daraus machen. Nicht zu idealistischen Zwecken, sondern um Geld zu verdienen. Es gibt Ausnahmen, wo die Medien einer guten Sache helfen können, aber das kommt nicht oft vor. Erinnere dich an Sting’s Regenwald-Projekt zum Beispiel. Es wurde zum Fiasko, weil er die Medien mit einbrachte.
Es ist wichtig, sich des „Gebens“ und nicht zuletzt des „Bekommens“ bewusst zu sein, fährt Harket fort. Es muss ein guter Zweck sein. Manchmal kann es besser sein, einem reichen Freund zu helfen als einer armen Person. Schau dir Jesus an, wem er half; es waren Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten.
Was um alles in der Welt bedeutet „Wild Seed“?
Interpretiere es wie du magst.